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Heuschrecken-Segen

Heuschrecken-Segen

Ein Artikel zum Thema Insekten als zukünftiges Lebensmittel. Warum Insekten ein zukunftsfähiges Lebensmittel sind und wie innovative Pionierprojekte und das Umdenken der Konsument*innen einen Paradigmenwechsel herbeiführen könnten – mit positiven Auswirkungen für Klima, Tierwohl und Gesundheit.

Text: Lisa Frei

Foto: Wikipedia

Ein Artikel der Straßenzeitung zebra. im Oktober 2022


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Warum Insekten ein zukunftsfähiges Lebensmittel sind und wie innovative Pionierprojekte und das Umdenken der Konsument*innen einen Paradigmenwechsel herbeiführen könnten – mit positiven Auswirkungen für Klima, Tierwohl und Gesundheit.

Für die einen sind sie lästig, für andere Nützlinge. Einige sind von ihrer Schönheit fasziniert: Insekten. Was hierzulande, vielleicht abgesehen von einigen Imker*innen, aber wohl kaum jemand so schnell mit dieser Tierart in Verbindung bringt, ist das Thema Nahrung und Kulinarik. Dabei zählen Würmer, Maden, Ameisen, Heuschrecken und sogar Spinnen in vielen Kulturen dieser Erde seit jeher zum Fixbestand der täglichen Ernährung. Wo Fleisch und Fisch rar oder ihr Verzehr schlichtweg unüblich sind, liefern Insekten den Menschen wichtige Proteine, ungesättigte Fettsäuren, Vitamine und Spurenelemente. Weltweit gibt es mehr als 2.000 genießbare Insektentypen. Schätzungsweise zwei Milliarden Menschen konsumieren sie regelmäßig. Im globalen Norden überwiegt hingegen der Fleischkonsum, laut WHO verzehren die Menschen dort durchschnittlich fast 68 Kilogramm Fleisch jährlich. Dies ist nicht nur für die Umwelt, sondern auch die Gesundheit fatal. Während in einigen Ländern des Globalen Südens die Globalisierung und der Vormarsch internationaler Fast-Food-Ketten den Fleischkonsum ansteigen lassen und Insekten als Nahrungsmittel zurückdrängen, experimentieren immer mehr Menschen in westlichen Nationen mit den vielfältigen Tierchen. 2021 wurde in der EU neben Mehlwürmern auch die Europäische Wanderheuschrecke offiziell als Nahrungsmittel zugelassen. Dank einer Übergangsregelung dürfen noch weitere fünf Insekten verkauft werden. Wegen ihrer vielfältigen positiven Eigenschaften gelten sie als Super Food. Startups wie jenes von Daniel Eggert (siehe Kasteninterview) bringen Interessierten die Vorzüge von Insektennahrung näher – durch Information und Sensibilisierung, aber auch schlichtweg durch die Kreation leckerer Gerichte, die mit der westlichen Küche kompatibel und sind und kulinarische Abenteuer versprechen. Aber die kleinen Tiere treffen noch aus ganz anderen Gründen einen Nerv bei vielen Vertreter*innen der jungen, umweltbewussteren Generation: Neben ihren gesundheitlichen Vorzügen punkten Insekten vor allem in Sachen Klimaschutz.


Genuss mit Gewissen
Die Haltung und Verarbeitung von Nutztieren ist laut UN-Klimabericht für 14,5 Prozent der durch den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der Bedarf an Flächen, Nahrung und Wasser von Rind, Schwein und Geflügel ist enorm. Weil die Weltbevölkerung wächst und auch der Wohlstand in breiten Teilen der Erde glücklicherweise zunimmt, steigt der Bedarf an Proteinen. Diesen künftig mit Fleisch und Fisch zu decken, wird schlichtweg nicht mehr möglich sein, wenn gleichzeitig die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise eingedämmt werden sollen. Hier kommen die Insekten als alternative Proteinquellen ins Spiel. Die Erzeugung von einem Kilo essbarerer Insektenmasse verursacht laut Studien der Universität Parma 1,5 Kilogramm CO2. Die gleiche Menge Hühnerfleisch produziert dreimal so viel, beim Rindfleisch ist es sogar das 20fache.
Auch der Energiebedarf von Insekten spricht für die kleinen Tiere. Sie können auf engstem Raum gehalten werden. Zur Erzeugung derselben Menge an Kalorien brauchen Rinder eine zehn Mal so große Fläche wie Insekten, wobei hier die allgemeinen Vorgaben der Rinderhaltung und nicht jene einer tierfreundlichen, naturnahen Haltung auf Weideflächen gemeint sind. Insekten bedürfen selbst keiner Energie zur Wärmeerzeugung, weil sie wechselwarme Tiere sind. Sie brauchen also deutlich weniger Nahrung als andere Tiere und wandeln diese hocheffizient in Körpermasse um. Grillen sind darin doppelt so effizient wie Geflügel, fünfmal effizienter als Schweine und zwölfmal effizienter als Rinder. Außerdem sind sie beinahe im Ganzen essbar, es entstehen kaum unverwertbare Reste. Bei der Verarbeitung einer Kuh fällt hingegen mehr als die Hälfte ihres Gesamtgewichtes als „Abfallprodukt“ an. Anders als noch in früheren Zeiten, werden nämlich Knochen, Fell, Haut, Fett und Talg heute zum Großteil entsorgt und nicht weiterverarbeitet. Ein weiterer Aspekt, der die Haltung von Insekten umwelttechnisch hochinteressant macht, ist ihr überaus geringer Wasserverbrauch. Im Produktionsprozess für ein Kilogramm Insektenmasse werden etwa 800 Liter Wasser benötigt, bei einem Huhn sind es 2.300, bei Schweinen rund 3.500 und in einem Kilo Rindfleisch stecken zwischen 22.000 und 43.000 Liter Trinkwasser.

Eine große Chance
Ob auf den Speisekarten der Zukunft regelmäßig Gerichte aus Insekten zu finden sein werden, hat nicht nur mit der Akzeptanz der Menschen in den Industrienationen zu tun. Ausschlaggebend wird auch sein, inwieweit die Themen Subventionen und Kostenwahrheit in der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte künftig auf der politischen Agenda landen werden. Dass bei entsprechenden Maßnahmen und voranschreitender Sensibilisierung immer mehr Konsument*innen Grille und Wurm eine Chance geben werden, ist zu erwarten. Die Pionier*innen auf dem Gebiet stellen sich längst nicht mehr die Frage, ob, sondern wann es zur Normalität wird, Insekten zu essen. Ekel und Abneigung gegenüber bestimmten Dingen sind einerseits kulturell bedingt, andererseits aber auch evolutionsbiologisch. Dass Menschen sich vor Maden ekeln, hat etwa damit zu tun, dass diese häufig in verdorbenen, also potentiell gefährlichen Lebensmitteln, auftauchen. Dasselbe gilt übrigens für Schimmel, Rohes und Kohlensäure. Denke man aber an Gorgonzola, Carpaccio und vergorenen Weizensaft, so lässt sich daraus schließen, dass dieser vermeintlich angeborene Ekel durchaus überwindbar ist.

 

 

Da ist der Wurm drin

Daniel Eggert, 28 aus Meran, ist Mitgründer des Filmemacher-Kollektivs „KiwitreeFilms“. Während der Pandemie widmete er sich vermehrt dem Thema Superfood und insbesondere den Insekten. Es entstand daraus das Unternehmen Landhaus Superfood, dem auch Koch Christoph Kröll angehört. Gemeinsam mit einer Gruppe an freiberuflichen Sprecher*innen, Eventmanagern und Servicekräften organisieren sie Verkostungen und sind mit ihrem Insekten-Imbiss-Stand unterwegs. Im vergangenen August machte dieser auf dem Brixner Altstadtfest Station. Wir haben nachgefragt, wie ihre Kreationen bei den Leuten ankamen.

 

Was stand beim Altstadtfest auf eurer Speisekarte?
Daniel Eggert: Auf der Speisekarte stand bei uns der Mehlwurm Burger mit einem Patty bestehend aus einer Mehlwurm- und Kichererbsen-Mischung. Oben drauf kamen dann noch karamellisierte Zwiebeln, Krautsalat uns hausgemachte Mayonnaise. Als Dessert servierten wir Mehlwurm-Muffins mit Mehlwurm-Espuma. Für die „ganz Harten“ gab es noch unseren „Fritto Misto“, also einen gemischten Teller mit ganzen gebackenen Mehlwürmern, Heuschrecken, Grillen und Superworms. Mit diesem Gericht wollten wir die geschmackliche Vielfalt unverarbeitet darstellen.

Wie schmeckt denn diese Vielfalt?
Es gibt fast 2.000 verschiedene Insekten, die essbar sind. Sie schmecken alle ziemlich unterschiedlich, es gibt eine erstaunliche Vielfalt. Einige ähneln im Geschmack geräucherten Shrimps, Pilzen oder Speck. Von nussig, über sauer bis süßlich ist alles dabei. Die Mehrwürmer etwa sind sehr knusprig und schmecken leicht nussig. Der Geschmack unserer Grillen ist schwer zu beschreiben, aber mild und meiner Meinung nach wirklich traumhaft. Man muss sie eben probiert haben!

Neben Grillhähnchen und Krapfen waren eure Gerichte bestimmt eine ganz besondere Attraktion. Aber haben die Menschen sich auch getraut, sie zu probieren?
Wir sind öfters auf Street Food Festivals und Future Food Messen vertreten, daher waren wir uns von Beginn an relativ sicher, dass eine Verkostung auch auf dem Altstadtfest funktionieren würde. Es gibt immer Leute, die eine starke Abneigung gegen Insekten als Lebensmittel empfinden und ihren Ekel nicht reflektieren und dann auch nicht überwinden können. Das hat allerdingst nichts mit dem Alter zu tun. Unsere Burger kamen querbeet bei Jung und Alt gut an. Die Anzahl jener Menschen, die bereits von Insekten als Lebensmittel gehört haben und neugierig darauf sind diese zu testen, wird immer größer. Das hat man auch in Brixen gespürt. Am Ende der drei Tage waren wir komplett ausverkauft, oder besser gesagt: aufgegessen.

Insekten findet man (noch) nicht im Supermarkt um die Ecke. Woher bezieht ihr eure Würmer und Grillen in Lebensmittelqualität?
Während der Corona-Zeit haben wir damit begonnen, Insekten experimentell zu züchten und zu verarbeiten. Sobald es wieder möglich war, haben wir verschiedene Farmen im deutschsprachigen Raum besucht, um uns ein Bild von der professionellen Haltung zu machen. Bald sind wir auf die „Wurmfarm“ von Andreas Koiz in Graz gekommen, der damals wie heute federführend im Bereich der biologischen Mehlwurmzucht ist. Seitdem beziehen wir unsere Insekten bei ihm.

Haben Insekten eine Zukunft auf dem Speiseplan der Menschen hierzulande?
Die Liste der Gründe, warum Insekten eine interessante, zukunftsfähige und nachhaltige Alternative zu anderen tierischen Produkten sind, ist lang. Wir sind vollkommen davon überzeugt, dass Insekten ein fixer Bestandteil im Speiseplan der westlichen Länder dieser Erde sein können. Mit dem immer größer werdenden Bedürfnis an Nachhaltigkeit und dem Interesse der Menschen an sicheren, lokalen Nahrungsmitteln ist den Insekten der Weg auf unsere Teller geebnet. Sobald der erste Schreck überwunden ist, normalisiert sich das Insekt schnell als Lebensmittel und man beginnt die positiven Aspekte wie Nährstoffgehalt, Nachhaltigkeit und Vielfältigkeit zu schätzen. Wir müssen nur überlegen: So vieles war irgendwann Neu und wirkte zunächst abschreckend. Vor einigen Jahrhunderten waren den Menschen Kartoffeln und Tomaten nicht geheuer und unsere Vorgänger-Generation rümpfte bei Sushi die Nase. Heute sind diese Lebensmittel und Gerichte kaum mehr von unserem Speisplan wegzudenken. Warum sollte das mit den Insekten anders laufen?

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